Wie so häufig bei den alten Landrassen läßt sich der Name dieser Rinderrasse aus dem ursrünglichen Verbreitungsgebiet ableiten. Im Salzburger Land, dem 'Pinzgau', wurde diese Rinderrasse bereits
1846 als Pinzgauer Fasl oder Schlag genannt. Erstaunlich ist, daß diese anscheinend so typische Alpenrasse aufgrund moderner Blutgruppenuntersuchungen näher mit den Niederungsrassen als mit den
Westalpenrassen verwandt zu sein scheint. Die eigentliche Herkunft dieser Rasse ist weiterhin ungeklärt, gewiß sind nur zeitweilige Hereinnahmen von Berner Simmentaler Rindern in die
Population.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts begann bereits die Verbreitung dieser Rinderrasse in die angrenzenden Länder wie Slowenien und Norditalien. In Slowenien existieren heute noch ca. 30 Tiere des
sogenannten Cika-Rindes, eines wesentlich kleinerer Rinderschlages ähnlichen Aussehens. In der Region Kärnten gab es früher ebenfalls einen kleineren Schlag, das Mölltaler Rind.
Auch während der österreichisch-ungarischen Monarchie weiteten sich die Pinzgauer sogar bis in die Länder Osteuropas und des Balkans aus.
Das Verbreitungsgebiet der Pinzgauer liegt heute vor allem in österreichischen Pinzgau, der südbayerischen Region um Traunstein sowie seit Grenzöffnung in den neuen Bundesländern, hauptsächlich
in Mecklenburg-Vorpommern.
Weltweit sind 1,3 Mio. Tiere in 25 Staaten vertreten. Diese Zahlen mögen sehr hoch erscheinen, doch ist der Bestand an reinrassigen Tieren von ehemals 85 000 Tieren in Bayern innerhalb der
letzten hundert Jahre auf 500 bis 600 Pinzgauer zurückgegangen. Verdrängt wurde diese Rasse von dem sich stark ausbreitenden Fleckvieh. Der Tiefpunkt der Pinzgauerzucht lag im Jahr 1983, seitdem
ist ein leichter Anstieg zu verzeichnen.
Seit 1984/85 wird in Bayern von staatlicher Seite eine finanzielle Förderung zur Erhaltung der Pinzgauer für einige Betriebe in Form einer Aufzuchtsprämie (200,- bzw. 300,- DM) gewährleistet. In
Bayern wird besonderes Augenmerk darauf gelegt, daß keine Einkreuzungen mit der Rasse Holstein-Friesian vorgenommen werden. Gerade im österreichischen Nachbarland wurde diese Rasse zur
Verbesserung der Milchleistung bis vor einigen Jahren in zum Teil erheblichem Maß in die Zucht hereingenommen.
In Bayern sind heute ca. 1 000 Tiere des 'alten' Typs der Pinzgauer vorhanden, 305 Tiere sind im Herdbuch erfaßt. Für die künstliche Besamung und den Natursprung stehen insgesamt 25
Herdbuchbullen zur Verfügung. Zusätzlich wurden Spermavorräte von 15 Bullen als Genreserve angelegt.
In Österreich sind in den drei Bundesländern Salzburg, Tirol und Kärnten 5 157 Kühe und Kalbinnen und 287 Bullen als reinrassig (Fremdblutanteil < 6,25%) eingetragen. In Südtirol sind 1 300
Pinzgauer gemeldet.
Das heutige Erscheinungsbild der Pinzgauer ist ein mittelgroßes, kräftiges Rind mit auffallend langem Rücken, kastanienbrauner Färbung und dem charakteristischen weißen Rückenstreifen, der über
die Hinterseite der Oberschenkel, den Schwanz, Bauch und Unterbrust verläuft. Die Klauen und das Flotzmaul sind dunkel. Die Tiere tragen stattliche helle Hörner mit schwarzen Hornspitzen.
Seit der Jahrhundertwende war für die Zucht der schwarze Pinzgauerschlag verboten, heute sind gerade diese schwarzen Tiere bei den Züchtern wieder sehr beliebt.
Eine Sonderform der Pinzgauer Rasse stellen die Jochberger Hummeln dar, die als genetisch hornlos gelten und in Österreich lediglich auf einem einzigen Betrieb gehalten werden.
Das ursprüngliche Dreinutzungsrind wurde mit zunehmender Industrialisierung der Landwirtschaft in ein Zweinutzungsrind mit gleichmäßiger Betonung von Fleisch und Milch umgezüchtet. Die
durchschnittliche Milchleistung der Kühe aus Milchleistungsbetrieben liegt im Leistungsprüfjahr 1993/94 bei 4 347 kg Milch mit 3,85% Fett, 3,32% Eiweiß und einer Laktationsdauer von 307
Tagen.
Neben dem Milchgeld war für die Pinzgauer-Halter schon immer der Erlös aus dem Verkauf von Nutz- und Schlachtieren eine wichtige Einnahme. Die Mastendgewichte der Pinzgauer Rinder liegen im
Bereich des Fleckviehs. Unterschiede sind jedoch in der weniger kräftig ausgebildeten Keule zu erkennen. Hierdurch erreichen die Pinzgauer eine geringere Handelsklasseneinstufung als das
Fleckvieh. Da sich in der Zukunft der Trend zu mehr Qualitätsfleisch fortsetzen wird, bestehen auch hier für die Pinzgauer weiterhin beste Absatzmöglichkeiten. Ihre besonders gute Fleischqualität
mit der vorteilhaften Marmorierung des Fleisches wird immer mehr und nicht nur Delikatessbereich geschätzt.
In den letzten fünf Jahren nahm die Zahl der Pinzgauer Züchter ständig zu. Dies wurde wohl mitunter durch die staatlichen Extensivierungsprogramme, aber auch durch die zahlreichen
Betriebsumstellungen auf extensive Mutterkuhbetriebe begünstigt. Auch viele Interessenten aus der ehemaligen DDR gehören mittlerweilen zu den begeisterten Pinzgauerzüchtern. Durch diese positive
Entwicklung stehen den Züchtern eine Vielzahl von verschiedenen Mutter- und Bullenlinien zur Verfügung. Auch die Beschaffung von tiefgekühltem Sperma für die künstliche Besamung ist bei weitem
nicht mehr so schwierig wie in den Jahren, als das Fleckvieh als Hauptrasse in der Region Traun
stein/Freilassing etabliert werden sollte.
Für Mutterkuhbetriebe mit Laufstallhaltung ist die genetische hornlose Variante der Pinzgauer, die bereits erwähnten Jochberger Hummeln von besonderem Interesse.
Hier bedarf es jedoch noch einiger Zuchtarbeit, um die Kleinstpopulation der Jochberger Hummeln auf ein größeres Maß anwachsen zu lassen, daß Tiere dieser Variante der Pinzgauer an weitere Interessenten abgegeben werden können.
Glücklicherweise gingen durch das Engagement einiger weniger Züchter auch die schwarzfarbigen Pinzgauer nicht verloren. In ganz Deutschland gibt es heute ca. 10-20 'schwarze' Tiere, darunter auch
ein hornloser Bulle.
Die Chance der Pinzgauer Rasse liegt wahrscheinlich im Einsatz bei Mutterkuhbetrieben. Hier können die Qualitäten dieser alten Rasse voll zur Entfaltung kommen. Nicht nur die typischen Merkmale
alter Rinderrassen wie gute Fruchtbarkeit, Langlebigkeit, gute Grundfutterverwertung und dergleichen, sondern auch ihre bestechende Gutmütigkeit im Umgang mit den Menschen und in der Herde
begeistern immer mehr Züchter.
Gerade die gute Milchleistung ermöglicht eine optimale Versorgung der Kälber bei der Aufzucht. Die Tageszunahmen liegen zwischen 1 000-1 400 g/Tag.
Besonders hervorzuheben sind auch die Ammeneigenschaften dieser Rasse. In der Regel kann einer Pinzgauer Kuh ab der 4.-5. Kalbung ohne weiteres ein Ammenkalb anvertraut werden. Nach einer ca.
1wöchigen Angewöhnungsphase wird das fremde Kalb völlig akzeptiert.
Durch die jahrhundertelange Zucht in Bergregionen, zeichnet sich die Pinzgauer Rasse auch durch eine extreme Klimarobustheit aus. Extreme Temperaturschwankungen, Hitze oder auch Kälte werden
bestens vertragen. Die Tiere können ohne Probleme sehr extensiv gehalten werden. Dank ihrer harten Klauen, sind selbst bis ins hohe Alter auch bei unregelmäßiger Klauenpflege hier keinerlei
Probleme zu erkennen.
Das Pinzgauer Rind ist unter Berücksichtigung ihrer besonderen Merkmale eine vielseitig einsetzbare Rinderrasse.
Antje Feldmann, Witzenhausen und Elisabeth Gillitz-Sieber, Traunstein
Ein Informationsservice der GEH e.V.
Stand: 01/22/2009 - Geschäftsstelle (GEH)
© Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH)
Eine weitere Rassebeschreibung der ASR
Arbeitsgemeinschaft Süddeutscher Rinderzucht- und Besamungsorganisationen e. V.
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